Resolution des Internationalen Forums „75 Jahre Tragödie und Heldentum des Minsker Ghettos“

Internationales Forum „75 Jahre Tragödie und Heldentum des Minsker Ghettos: Probleme und Perspektiven der Holocaust-Erinnerung in Belarus“ (23. Oktober 2018 , Minsk, Prospekt Gasety Prawda, 11)

Resolution

Am 23. Oktober 2018 fand ein Internationales Forum statt, das dem 75. Jahrestag der Tragödie - der Auflösung des Minsker Ghettos am 21.-23. Oktober 1943 - gewidmet war. In einem der größten Ghettos Europas sind etwa 100 Tausend Juden umgekommen, unter denen nicht nur die einheimischen, sondern auch die aus verschiedenen Städten Österreichs, Deutschlands und Tschechiens deportierten Juden waren. Nach unterschiedlichen Schätzungen sind auf dem belarussischen Territorium während der NS-Besetzung 90% der hier lebenden jüdischen Vorkriegsbevölkerung umgekommen. In der Gesamtzahl der in Belarus während des Krieges umgekommenen Menschen ist es praktisch jeder dritte.

Darum ist es sehr wichtig, sich an diese schreckliche Seite der gesamteuropäischen Geschichte zu erinnern und der Opfer der Holocaust-Politik zu gedenken, deren Leben durch die gefühlskalte Entscheidung der NS-Führung unterbrochen wurde. Im Rahmen der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in der modernen Welt ist es notwendig, Untersuchung der Schicksale der Ermordeten und deren Präsentation vor der Öffentlichkeit fortzusetzen, ihnen Denkmale zu setzen, thematische Bildungsveranstaltungen durchzuführen sowie neue, interessante und speziell für die junge Generation zugängliche Formen und Methoden der Arbeit zu entwickeln.

Das Forum zum Andenken an das Minsker Ghetto wurde vom Dortmunder IBB, der IBB J. Rau Minsk, dem Verband belarussischer jüdischer gesellschaftlicher Organisationen und Gemeinden und der Geschichtswerkstatt Leonid Lewin organisiert. Das Forum wurde mit Unterstützung der Evangelischen Kirche von Westfalen abgehalten.

Am Forum nahmen ehemalige Ghettogefangene, Häftlinge der NS-Konzentrationslager sowie Diplomaten, Vertreter von staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen im Bereich der Bildung, Kultur, Historiker und Pädagogen aus verschiedenen Ländern teil. Sie besprachen ein breites Spektrum von Fragen in Zusammenhang mit

- den neuen Tendenzen in der Erforschung der Geschichte des Minsker Ghettos und des Holocaust auf dem belarussischen Territorium;

- der Präsentation des gegebenen Themas im Bereich der Bildung und Kultur in Belarus;

- den Problemen und Perspektiven der Memorialisierung  der Holocaust-Opfer in Belarus.

Die Forumsteilnehmer bewerteten positiv das steigende Interesse zur Holocaust-Geschichte, das in den unterschiedlichen Projekten der Bildungs- und Kultureinrichtungen in Belarus sichtbar wird, und betrachten die Eröffnung der Gedenkstätte am Vernichtungsort Blagowschtschina im Juni 2018, wo viele Gefangene des Minsker Ghettos ermordet worden sind, als einen wesentlichen Schritt zur Entwicklung der Erinnerungskultur in Belarus.

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass dennoch die Grundlagenforschungen belarussischer Fachleute zur Holocaust-Geschichte auf dem Territorium von Belarus fehlen. Die Schulbücher und die Museumsexpositionen in Belarus enthalten bis heute sehr wenig Information über den Genozid der Juden während des Krieges. Viele Vernichtungsorte auf belarussischem Territorium haben keine entsprechenden Denkmale. Um diese Situation zu überwinden und den wachsenden Erscheinungen des Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in der Welt effektiver entgegenzuwirken, schlagen die Forumsteilnehmer nach der Koordinierung ihrer Position als Empfehlung für die zuständigen Staatsorgane vor:

- einen offiziellen nationalen Gedenktag an die Holocaust-Opfer am 23. Oktober (Tag der Auflösung des Minsker Ghettos) auf staatlicher Ebene zu legitimieren;

- ein Bildungs- und Informationszentrum zur Holocaust-Geschichte in Belarus zu organisieren, in dem der Zugang zu den Forschungen und Quellen zu dieser Thematik gesichert sein wird;

- Bedingungen für die Forschungen zum Thema Holocaust in Belarus zu schaffen, darunter auch eine entsprechende Richtung im Arbeitsplan der Abteilung der Kriegsgeschichte und internationalen Beziehungen des Forschungsinstituts für Geschichte der Nationalen Akademie der Republik Belarus zu etablieren;

- mehr Information zur Holocaust-Geschichte in die Bildungsprogramme zur Geschichte von Belarus und in die Schulbücher zu integrieren, um den Maßstab der Tragödie in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges in Belarus darzustellen;

- Regelmäßige Weiterbildung von Lehrern zur Holocaust-Geschichte, Aufarbeitung von Bildungsmaterialien und Durchführung von thematischen Unterrichtsstunden durch die Lehrer zu den Gedenkdaten am 27. Januar und 23. Oktober vorzusehen;

- Informationen über die verschiedenen Ghettos der Städte und Siedlungen von Belarus und über die Schicksale konkreter Holocaust-Opfer in die Expositionen belarussischer Museen, die dem Thema des Zweiten Weltkriegs gewidmet sind, insbesondere in die des staatlichen Museums des Großen Vaterländischen Krieges, , einzuordnen;

- einen republikanischen zwischenbehördlichen Rat zur Verewigung des Andenkens an den Holocaust in Belarus einzurichten, zu dessen Mitgliedern die Vertreter der staatlichen Strukturen (Kulturministerium, Bildungsministerium, Ministerium für Sport und Tourismus) und der gesellschaftlichen Organisationen gehören könnten;

- eine einheitliche Datenbank der Vernichtungsorte der Holocaust-Opfer auf dem belarussischen Territorium auszuarbeiten, die Information über die darauf gelegenen Denkmale enthält;

- den Vernichtungsorten der Holocaust-Opfer einen Kriegsgräberstatus, den jüdischen Friedhöfen einen Schutzzonenstatus zu verleihen und ihre Pflege und Erhaltung zu sichern.

Teilnehmer des Internationalen Forums „75 Jahre Tragödie und Heldentum des Minsker Ghettos: Probleme und Perspektiven der Holocaust-Erinnerung in Belarus“

 

 

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