Lesung und Gespräch mit Gabriel Heim

Am 6. Februar 2019 fanden sich zahlreiche interessierte Zuhörer zu einem Gespräch über das Buch „Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus“ mit Schweizer Autor Gabriel Heim in der Puschkin-Bibliothek ein. Nachmittags hatte Heim im Rahmen der Internationalen Buchmesse in Minsk am Stand der Deutschen Botschaft sein Buch und dessen Entstehungsgeschichte bereits ausführlich präsentiert und am Tag zuvor für die Deutschstudenten der Linguistischen Universität eine Lesung gegeben.

Nach dem Tod seiner Mutter Ilse entdeckte Gabriel Heim in ihrem Nachlass eine Kiste mit knapp 200 Briefen, die Ilses Mutter, Heims Großmutter, Marie ihr wöchentlich zwischen 1938 und 1942 geschrieben hat. Ilse hatte sich früh von ihrem Elternhaus, und damit auch von ihrer Mutter, distanziert und lebte zu der Zeit in Basel. Marie schreibt ihrer Tochter umfangreich von dem sich für Juden immer mehr verschlechternden Alltag in Berlin, bis sie 1942 nach gescheiterter Flucht nach Minsk deportiert wird und die Briefe abrupt aufhören. In „Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus. Eine Mutterliebe in Briefen“ arbeitet Gabriel Heim seine Familiengeschichte und die komplizierte Beziehung seiner Mutter und Großmutter auf, betrachtet und ergänzt die Briefe durch Erzählungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Moderiert wurde das Gespräch von der Übersetzerin Iryna Herasimovich, die uns durch Heims Erzählungen leitete, welche von der Entstehung des Buches, über die Eigenheiten seiner Mutter bis zur Bedeutsamkeit individueller Biographien vor dem Hintergrund anonymisierter Geschichtsschreibung reichten.
Vom ersten Blick auf den Schuhkarton bis zum gebundenen Buch, welches 2013 erschien, war es organisatorisch und emotional ein langer Weg. Die Briefe mussten transkribiert, Lücken ergänzt, das Schicksal verdaut werden. Darüber, dass es letztendlich zu diesem sowohl historisch als auch sprachlich sehr beeindruckenden Werk und damit auch zu dieser Veranstaltung gekommen ist, sind wir sehr erfreut.

Gegen Ende des Gesprächs las Gabriel Heim die Absätze aus dem Buch vor, in denen die letzten Tage seiner Großmutter beschrieben werden. Die von Sergej Paulawitski ins Russische übersetzten Passagen wurden in der Bibliothek vom Schauspieler Aleś Malčanaŭ vorgetragen, was den Autor selbst sehr berührte. Anschließend hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wobei noch einmal der Umgang mit der Geschichte des eigenen Landes thematisiert wurde, bei dem es zwischen Belarus und Deutschland ersichtliche Unterschiede gibt.  

Insgesamt war das Gespräch mit Gabriel Heim eine für alle Teilnehmenden eine positiv bewertete Veranstaltung, welcher Art hoffentlich noch viele in Kooperation der Geschichtswerkstatt und der Puschkin-Bibliothek folgen werden.

von Emily Bertheau

Fotos: